Markus Orths

Hintergrund: Tristram Shandy

Seite 135: 
"Nun kann man sich nicht den ganzen Tag an die Dinge schmiegen und gegen Wände drücken, um sich selbst zu spüren. Ich musste mich anderweitig beschäftigen. So ein Tag ist ganz schön zäh. Langeweile nichts dagegen. Zumal ich ja nicht schlafen konnte. Siehe Phantomlider! Habe ich das schon gesagt? Habe ich nicht ein eigenes Kapitel über Phantomlider versprochen? Genauso versprochen, wie Laurence Sterne seinen Lesern allerhand Kapitel zu Knöpfen und Pfuirufen verspricht? Aber da Laurence Sterne sich einen Dreck um die Einhaltung seiner Versprechen schert, so soll es auch mir egal sein, denn, muss ich nun preisgeben, Tristram Shandy war das erste Buch, in das ich in der Freiburger Unibibliothek einen Blick warf. Als Quadrupelhirn benötigte ich nur ein paar Sekündchen für das Lesen und Verstehen einer einzigen Shandy-Seite, musste aber dem Tempo der Barbaren folgen, die, ehe sie eine Seite umblätterten, mindestens drei Minuten fürs Lesen, oft wesentlich länger fürs Verstehen brauchten, und ich – das ist jetzt jedem klar – konnte die Seiten nicht selber wenden, sodass ich bald das Simultanlesen erfand, ähnlich dem Simultanschachspiel, das mich begeisterte, wenn ich den Meistern dabei zusah."

Hintergrund: Laurence Sterne: Das Leben und die Ansichten Tristram Shandys. Neuntes Buch, vierzehntes Kapitel, in der Übersetzung von Rudolf Kassner. Zürich 1982, S. 725: "Da ich niemals die Absicht hatte, die Abschweifung, die ich mit all diesen Betrachtungen eben vorbereite, zu machen, bevor ich zum fünfzehnten Kapitel gekommen bin - so bleibt mir dieses vierzehnte Kapitel für allerhand Zwecke vorbehalten - ich habe zwanzig in diesem Augenblick davon vorrätig; ich könnte mein Kapitel über die Knopflöcher darin anbringen - Oder mein Kapitel über die Pfuirufe, welches darauf folgen sollte - Oder mein Kapitel über Knoten (im Fall, daß Euer Ehrwürden damit fertig sind) - aber ich könnte dadurch leicht in Schwierigkeiten geraten; der sicherste Weg ist also wohl der, daß ich der Spur der Gelehrten folge und selber Einwürfe gegen das, was ich geschrieben habe, erhebe ..."